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Wanderung am 23.6.2018

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SCHLEMMERTOUR IM OBEREN PEGNITZTAL

Reinhard Kauer bei Wanderung 30 04 2011Bisweilen gelüstet es den Tourengeher bei einer Einkehr nach Feinerem. Auch unsere Wandergruppe hat sich dahingehend ausgesprochen. Dieses Anliegen werden wir auf dem ersten Ausflug im neuen Jahr realisieren: Die Mittagsrast ist in einem der besten Fischlokale der Region.

Auch auf der Strecke bewegen wir uns in der Königsklasse. Wir stromern durch den reizvollsten Abschnitt des Pegnitztals. En passant erkunden wir eine der kleinsten Städte Bayerns. Das Städtchen imponiert mit einer schönen Lage und seinem Charme. Letztlich schnuppern wir in die oberpfälzische Zoiglbier-Kultur hinein, die hier auf Franken „überschwappt“. Der kommode Streifzug hat Fünf-Sterne-Niveau!!!

Wann hin?

Die Planung gilt für den 23. Juni 2018. Wer teilnehmen möchte, sollte um 09,50 Uhr am Südausgang des Nbger. Hbf. sein. Die Abfahrt erfolgt um 10,08 Uhr auf Gleis 20. Unser Zug hält in Lauf (rechts) um 10,28 Uhr. Auch für Interessenten aus diesem Raum gilt die Tarifzone 10 der VGN. Den Ticketkauf für die Kerngruppe organisiere ich. Keine Anmeldepflicht!

 

Anforderungen

8,5 Km und etwa 110 Steigmeter. Die gute Verkehrsanbindung bietet mehrere Möglichkeiten zur Abwandlung. Variante I: Ende des Ausflugs nach dem Essen. Heimfahrt vom Bahnhof Velden! Streckenbilanz: 60 Hm und 4 Km. Variante II: Nach der Pause immer am Fluss entlang nach Neuhaus (bequemer!). Crux: über 2 Km auf einer Nebenstraße. Variante III: Keine Einkehr in Neuhaus, sofortige Heimfahrt. Variante IV: Mittagsrast ja, aber ohne Wanderung zuvor. Wie? Anfahrt in Eigenregie (11,08 Uhr, Gleis 18) nach Velden; 10 Minuten zum Lokal (Bitte mich anrufen; es reicht am 21.4. ! Grund: Erst auf der Zugfahrt melde ich dem Wirt die genaue Teilnehmerzahl. Den kinderleichten Weg zum Lokal erkläre ich bei dieser Gelegenheit mit).

Einstimmung und Details

Der große Zeiger der Bahnhofsuhr von Rupprechtstegen springt auf 10,53 Uhr. Das Zeitpolster bis zur Reservierung im Fischlokal (12,15 Uhr) ist reichlich bemessen. Wir suchen sofort die Nähe zur Pegnitz. Ihre orographisch linke Seite ist der rechte Weg. Flussaufwärts haben wir bis Lungsdorf eine hochattraktive Ufer-Promenade unter den Füßen. „Augenmenschen“ bekommen bestes Landschafts-Kino geboten. Der Fluss hat sich einen respektablen Canyon geschaffen.

Behäbig und fast lautlos gleitet die Pegnitz dahin. In den Steilhängen tummelt sich massenhaft Dolomitgestein. Rechterhand verstecken sich zwei richtige Kaventsmänner im Gehölz. Dunkle Flechten, Moospatina und das Schummerlicht des Waldes verleihen den Felsmonstern ein mystisches Aussehen. Der Kontrast zur Talflanke vis-á-vis könnte kaum krasser sein. Dort präsentiert sich der Fels offen, hell leuchtend und als glatte Steilwand. Ideales Gelände für die Klettergilde. Ein Bahntunnel durchbohrt den Koloss und beraubt ihn seiner Unschuld. Jäh vertreibt höllisches Getöse die Talidylle. Wie in einem Spuk speit ein Ungeheuer einen Güterzug aus dem Tunnelrachen, um ihn kurz danach in einem anderen Röhrenschlund wieder zu verschlingen.

Die Felsen rechts der Route werden immer zerrissener. Manche lehnen sich akrobatisch-künstlerisch gegeneinander. Andere liegen als mehr oder minder große Brocken im steilen Hang und werden scheinbar nur von den Bäumen am Abtriften gehindert. Die Pegnitz macht eine Schleife und sogleich tut sich ein neues pittoreskes Landschaftsbild auf. Die steilgiebeligen Häuser von Lungsdorf schmiegen sich in einen Hangbogen des Tales. Felsen umrahmen den Ort. Eine Ansicht wie aus dem Bilderbuch.

Dann überqueren wir die Pegnitz und scheren in ein Seitental ein. Es ist ein Trockental, kein trocken gelegtes. Die Entwässerung erfolgt auf natürlichem Weg durch einen unterirdischen Flusslauf. Riesige Quelltöpfe speisen das Wasser direkt in das Flussbett der Pegnitz. Nur nach ergiebigen Regenfällen oder Schneeschmelze existiert ein sichtbarer Bach. Erstaunlich sind auch die Ausmaße. Es reicht von Leopoldstein (Nähe Betzenstein) bis hierher. Damit ist es eines der längsten Karst-Trockentäler Mitteleuropas!!!

Der Wanderweg zieht am Rande des Trockentals hinauf auf einen Bergrücken. Wunderbarer Rückblick. Schon bald lugen die ersten Häuser von Velden durch die Bäume. Es folgt ein spannender Quergang hart an der Absturzkante einer Steilwand entlang. Genialer Tiefblick. Unter uns die Häuser von Alt-Velden im Haufen zusammengedrängt und das türkisblaue Band der Pegnitz. Furioser Abstieg über Treppen. Direttissima! (Umgehung möglich). Spektakulär der Platz für das Kriegerdenkmal, das einem kleinen Tempel ähnelt. In einem grottenartigen Felsabsatz erinnert die Gedenkstätte an die Gefallenen sinnloser Kriege. Hoher Blutzoll einer kleinen Stadt. Letzte Stufen hinab zum Ufer, über eine Holzbrücke und gleich ist das Lokal erreicht.

Das Ambiente der Gaststuben suggeriert dem gemeinen Franken, dass er gerade „das Frankenland hinter sich lässt und in einem norddeutschen Küstenrestaurant anlegt“. Das betagte Ehepaar, das zusammen mit ihrem Sohn das Lokal führt, hat ihre Wurzeln in Schleswig-Holstein. Mit ihrem Dialekt und dem hanseatischen Charme befeuern sie diese Illusion. Letzte Zweifel beseitigt ein Studium der Speisekarte. Neben wenigen Gerichten mit Süßwasserfisch liegt der Schwerpunkt auf echter Seemannskost. Man wähnt sich nun tatsächlich am Meer.

Exzellente Fischküche. Verantwortlich dafür ist die Ehefrau/Mutter. Hier ein Teil der Tafelfreuden: Scholle „Finkenwerder Art“ mit Speck und Krabben, Nordsee-Seezunge „Müllerin“, Holland Matjesfilet mit Sylter Sauce etc.! Eine Spezialität des Hauses ist die überragende Travemünder Fischsuppe. Sie wird mit Garnele und Baguette serviert. Sie ist der absolute Renner bei den Gästen - mich eingeschlossen. Der durch Auskochen und Seihen von Fischkarkassen und -körper geschaffene Sud wird bei der Chefin zur Delikatesse. Wer´s nicht fischig mag, der kann zwischen Schnitzel und Rumpsteak wählen. Mittlere/gehobene Preise.

Wieder retour. Ein Uferpfad klemmt sich dicht an die schon bekannte schroffe Felsfront. Hohlkehlen lassen die Wand überhängend erscheinen. Man staunt über die Urgewalten des Wassers. Die packende Felsszenerie reicht bis zur Stadtmühle. Gleich doppelt rückt sie ins Blickfeld: real und spiegelverkehrt im Fluss. Mühlräder klappern. Stürzende und quirlende Wasser der Pegnitz. Enten mustern uns aus sicherer Entfernung. Der Fleck wirkt wie komponiert. Perfekte Idylle in unserer digitalen Zeit.

Wir schreiten durch das Mühltor. Dicht reihen sich die Bürgerhäuser aneinander. Velden hat zweifelsohne viel Flair. Mit dem Blick eines Künstlers wären mehrere Malerwinkel zu entdecken. Die Pfarrkirche sticht ins Auge. Eine kurze Visite lohnt allemal. Werke von Qualität hinterlassen Eindruck. Dies gilt auch für die Hochwassermarken. Die meist zahme Pegnitz kann augenfällig auch hinterhältig sein. Im Jahr 1909 ließ sie das Wasser im Kirchenschiff auf einen Höchststand von 1,49 m steigen!

Direkt neben dem Fluss weiter. Rechtsseitig hat die Natur mächtige Felsen zu Türmen aufgerichtet. Kapriziös die folgende Piste: Der Wanderweg ist in die steile Böschung der Talstraße eingepasst. Der schmale Steig begeistert. Danach traversieren wir sanft aufwärts eine Berglehne. Kaum Steigspuren im noch bastfarbenen Wiesen/Kieferngelände. Oben hilft eine Waldfuhre weiter. Sie schickt uns auf einer Anhöhe ins Freie. Die Blicke sausen weit zu den Kuppen der Oberpfälzer Alb. Eine davon der Ossinger. Mit seinem Aussichtsturm ist er eine weithin sichtbare Landmarke.

Nach einem etwas nüchternen Flurweg - Ordnung muss sein - suchen wir wieder die Geborgenheit eines Waldabteils. Herrlich lauschig ist es hier. Den Boden überzieht ein weicher Moosteppich, der uns beinahe schweben lässt - zumindest fühlt es sich so an. Es ist ein Revier der Stille. Man glaubt den Ort gefunden zu haben, wo die Natur ihr Schlafzimmer hat. Eine entzückend gelegene Feldkapelle macht auf sich aufmerksam. Zwei mächtige Linden stehen als Wächter an ihrer Seite. Beide durften in Würde alt werden.

Das Finale der Top-Wanderung präsentiert zunächst einen trocken-warmen Jura-Südhang mit lichtem Kiefernwald und Magerrasen. Womöglich können wir Küchenschellen bewundern. Die Frühjahrsblüher überziehen den stumpfen Grasboden mit bischofsfarbenen Tupfern. Der Erlebnispfad tanzt mittlerweile durch eine Felszone. Klasse Ausschau von einem Dolomitsporn. Man steht Auge in Auge mit der mächtigen Burg von Neuhaus. Wir turnen über Rippen mit viel nacktem Fels und Wurzelgeflecht. Kreuzwegstationen schmücken den tollen Serpentinensteig bis hinunter in den Ort. Unverzüglich halten wir Ausschau nach dem „Stern von Neuhaus“.

Die Südtiroler gehen zum Törggelen und die Österreicher zum Heurigen. Die Franken pilgern auf die Keller und die Oberpfälzer verehren ihren Zoigl. Dieses Lebensgefühl fußt auf einer besonderen Biertradition. Hausbesitzer in der nördl. Oberpfalz konnten das verbriefte und vererbbare Recht erwerben, im Brauhaus der Kommune einen Sud anzusetzen. Das Gebräu kommt in Fässer und reift im Keller des Hausbrauers weiter. Wenn es an der Zeit ist, gibt der Bierrechtler den Sud frei und steckt zum Zeichen des Ausschanks den Zoigl-Stern aus (Zoigl=Anzeiger). Es ist ein altes Zunftzeichen der Brauer und sieht dem Davidstern sehr ähnlich. Ausgeschenkt wird in Nebenräumen (früher im Wohnzimmer!) des Anwesens. Geht der Vorrat zur Neige, tritt ein anderer Hausbrauer an seine Stelle. In Neuhaus a.d. Pegnitz, das bis zur Gebietsreform zur Oberpfalz gehörte, gibt es noch vier Rechteinhaber, wobei nur noch zwei regelmäßig daran teilnehmen. In Reinform existiert der Zoigl hier leider nicht mehr: inzwischen fehlt das Gemeindebrauhaus. Dennoch sind die Hausbrauer ein Stück Alt-Neuhaus. In die Kommune gehen - so nennen es die Einheimischen - ist weiterhin hoch im Kurs. Im Übrigen erlebt der Zoigl im eigentlichen Kerngebiet derzeit einen regelrechten Boom. Neue Zoigl-Stuben entstehen. Aber Vorsicht vor Mogelpackungen: nicht überall wo Zoigl draufsteht, ist auch echter Zoigl drin!

Alles dreht sich um das Kult(ur)getränk Bier. Es besitzt eine wunderbare „Drinkability“. Natürlich gibt es auch andere Getränke. Der Laden ist meist brechend voll. Nur mit Glück ergattert man einen Sitzplatz in der Schankstube (keine Reservierung möglich!). Gemischtes Publikum. Schnell registriert man, dass der Zoigl im Nu alle Standesunterschiede wegspült. Bodenständig und ungezwungen geht es zu. Auf den Punkt gebracht: der Zoigl ist mehr als „nur“ Bier.

Wunschgewicht hin, Übergewicht her. Eine Halbe und dazu eine der Brotzeiten sollten noch möglich sein. Auch einfaches Warmes ist im Angebot. Die Preise sind unschlagbar niedrig und die Qualität stimmt trotzdem!!!

Wann zurück?

Bestens vertaktete Strecke. Darum keine Vorgabe! Auf der Rückfahrt lassen wir vom Zugfenster aus das begangene Wegstück im Tal wie im Film im Zeitraffer vorbeirauschen - „Bildausfälle“ in den Tunnelpassagen inbegriffen. Der Ausflügler zieht Bilanz und kommt zur Erkenntnis: a) auch kurze Wanderungen können sexy sein, b) die Tour war ein Genuss in allen Variationen: für's Auge, den Gaumen - mit „Lokalitäten“, die konträrer nicht sein können - und die Seele, c) der liebe Gott muss wohl Franke sein.

Einige Zusatzinfos:

Euer Wanderpate Reinhard